Ausblick Kompetenzforschung (1. Teil)
Der dynamische Prozess der Kompetenzentwicklung ist durch Messverfahren nicht in Gänze zu erschließen, sondern nur durch eine subjektwissenschaftliche Analyse der Formen von Erfahrung und der unterschiedenen Ebenen. In der Mannigfaltigkeit der Praxisfelder ist zu erforschen, ob sich einzelne Zusammenhänge in bestimmten Bereichen durch eine quantitative Erfassung von Zuständen auf sinnvolle Weise erhellen lassen.
Die Feststellung des Alphabetisierungsgrades der Bevölkerung (vgl. Grotlüschen/Riekmann 2011) scheint beispielsweise eine wichtige Reflexionsmöglichkeit zu sein, nicht um individuelle Entwicklung, sondern um gesellschaftliche Exklusionsprozesse sichtbar zu machen. Sie ist aber mit Interventionen zur Kompetenzentwicklung in der Bevölkerung zu verknüpfen. (zitiert nach Langemeyer 2013)
Qualitative Verfahren, die in enger Verbindung zu einer Theoriearbeit wie der hier vorgeleisteten stehen, erfassen vermutlich eher die Komplexität der dynamischen Zusammenhänge, insbesondere deshalb, weil sie bei der Analyse den Standpunkt der ersten Person einnehmen können und subjektbezogene Prozesse nicht fälschlicherweise als Vorgänge in der dritten Person (etwa als Systemprozesse) abbilden( nach Ryle ebenfalls ein Kategorienfehler).
Wichtiger als ein Bekenntnis zu bestimmten Methoden ist also die Aufgabe, den Nexus von Kompetenz-Inkompetenz in verschiedenen gesellschaftlichen Praxen zu untersuchen. Denn was auch immer wir uns von Mess- oder Feststellungsverfahren auf diesem Gebiet erhoffen, wir sollten daran denken, dass Vögel zwar in Käfigen geliefert werden, aber meist zu dem Preis, dass sie nicht mehr fliegen.
Weder ist Wissen eine Ursache für Können, noch ist Kompetenz eine Ursache für Performanz, sondern „Wissen“ und „Kompetenz“ sind Begriffe oder Vorstellungen, mit deren Hilfe wir nicht nur Können bei anderen oder im Allgemeinen erkennen, sondern auch uns selbst einer bestimmten Denk- und Handlungsfähigkeit bewusst werden und sie unserem Selbst zuschreiben können: „Ich weiß, wie es geht“ oder „Ich weiß, warum mein Handeln sinnvoll/richtig ist“. Kompetenz ist folglich eine Dimension des (Selbst-)Bewusstseins. (zitiert nach Langemeyer 2013).